Quo vadis, Denkmalpflege?
Zu einem Interview mit Frau Farin und Herrn Dr. Pinkwart in der Sächsischen Zeitung am 18. Dezember 2008
In einem auf der Kreisseite Pirna veröffentlichten Interview äußerte sich die in Pirna tätige amtliche Denkmalpflege unter der Überschrift „Eine Diktatur des Denkmalschutzes gibt es nicht“ zu ihrer Tätigkeit.
Das Interview enthält einige Merkwürdigkeiten, viele hat es gewundert, einige empört.
Der für Pirna zuständige Gebietsreferent des Landesamtes für Denkmalpflege, Herrn Dr. Pinkwart, behauptet u.a., daß bei dem Konzept, das der Schauspieler Tom Pauls für das Peter-Ulrich-Haus in Pirna vorsieht, „95 Prozent des Hauses erhalten bleiben können“.
Gemeint ist damit die historische Substanz, an die der Denkmalwert gebunden ist. Zu dieser gehören nicht lediglich Mauern oder äußere Erscheinungsbilder, sondern auch Putze und Anstriche, Decken und Bohlenwände in originalem Einbauzustand, Lehm-, Holz-, Steinfußböden, alte Kamine, das Dachwerk, der Hof und vieles mehr. All diese Dinge sind die Träger der geschichtlichen Informationen und prägen das authentische Flair eines alten Hauses wesentlich mit.
Zu Möglichkeiten und Grenzen des Substanzerhaltes läßt sich folgendes klarstellen:
Bei der Mägdleinschule am Kirchplatz gelang es dem Kuratorium Altstadt Pirna e.V., zwischen 75 und 80 % der Substanz zu retten. Beim Peter-Ulrich-Haus würde der Verein mit seinem behutsamen Konzept, vorgestellt auf den Internetseiten des Kuratoriums, und unter Nutzung all seiner Erfahrungen ungefähr 85 % Substanz erhalten können. Ein Substanzerhalt von 95 % liegt dagegen jenseits des Möglichen. Wie Herr Dr. Pinkwart diesen Maximalerhalt vollbringen möchte, ist sein Geheimnis. Daß er seine Behauptung sogar im Bewußtsein der vorgesehenen Auskernung des Obergeschosses für eine Kleinkunstbühne und des beabsichtigten Dachausbaues verbreitet, und auch noch meint, diese Nutzung sei für das Haus „ideal“, ist schlechthin ein fachlicher Eklat. Seine Behauptung widerspricht in geradezu haarsträubender Weise auch der Einschätzung von Prof. Dr. Mader (siehe Internetseiten des Kuratoriums).
Es drängt sich die Frage auf, ob es in der Denkmalpflege, die Herr Dr. Pinkwart vertritt, keine Grundsätze, keine objektiven Kriterien gibt. Ist sie vor allem Spielball von Interessen?
Ein Freund des Kuratoriums, Prof. Dr. Kurt Milde (1932-2007), hat, wie andere passionierte Denkmalpfleger auch, zeit seines Lebens an der Objektivierung denkmalpflegerischen Handelns gearbeitet. Ohne Grundsätze und Regeln können Denkmale nicht fachgerecht gepflegt und Denkmalschutz nicht in verbindliches Recht gesetzt werden. Das gilt ungeachtet der Tatsache, daß sich diese Objektivierung nur näherungsweise erreichen läßt; die subjektiven und zufälligen Faktoren spielen stets mit, also die Auffassungen des Denkmalpflegers, die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Denkmaleigentümers, die Vorstellungen, Fähigkeiten und Erfahrungen der Planer.
Man würde sich nun wünschen, daß Denkmalpfleger, wo immer sie über die subjektiven Faktoren sprechen, auch die objektiven Kriterien der Denkmalpflege erkennbar ließen. Herr Dr. Pinkwart tut es nicht, weniger noch: er betont „Alles ist immer eine Verhandlungssache“, jeder Fall ist „ein Einzelfall“. Wir hören weiter: „Auch in der Vergangenheit hat es an den Gebäuden immer Veränderungen gegeben“, „Das Haus wurde ja auch in der Vergangenheit verändert“, „Denkmalpflege ist eine dynamische Angelegenheit“. So richtig das ist oder sein mag – was bedeutet es im Kontext? In seiner Undifferenziertheit gibt es den beliebigsten Vorstellungen Raum, auch solchen, die den Denkmalen weiter nichts wie schaden. Denkmalpflege tendiert auf solche Weise dazu, dem Ermessen Einzelner überantwortet zu werden. Man muß dabei bedenken, daß die „Verhandlungssache“ notgedrungen nichtöffentlich ist, das Publikum hat einen schlechten Stand. Betroffene konstatieren oft kopfschüttelnd die ungleiche Elle, mit der gemessen worden sein muß, wenn man Ergebnisse vergleicht (siehe das Beispiel unten). Was sich als Absage an „Diktatur“ gibt, erweist sich womöglich als Schein. Je weniger die Denkmalpflege nachvollziehbaren Regeln verpflichtet ist, um so mehr löst sie sich von Demokratie, wird als Zufall und Willkür erfahren. Leider ebenfalls die Klarheit schuldig bleibt jene von einem britischen Premierminister erborgte Metapher, die gegen vermeintlich Rückständige aufgefahren wird: „Die Vergangenheit sollen wir als Sprungbrett nutzen, nicht als Sofa“. Trübe Wässer des Denkmalpflegers fließen in Medien und Gremien; der Stärkere fischt darin.
Welche Folgen die immer weitere Schwächung des objektiven Faktors in der Denkmalpflege praktisch hat, wurde an der Grundsatzentscheidung des Pirnaer Stadtrates über das Peter-Ulrich-Haus deutlich. Sie wurde ohne irgendwelche schriftlichen Unterlagen durch den zuständigen Ausschuß getroffen (27.11.2008), ein beispielloser Akt, der auch viele andere Grundsätze, u.a. den der Gleichbehandlung, außer Kraft gesetzt hat und bei dem Fragen z.B. nach der Wirtschaftlichkeit des Projektes völlig ausgeblendet blieben (vgl. auch den kritischen Leserbrief von Stadtrat Heinrich). Herr Dr. Pinkwart, von interessierter Seite zum Statement gerufen, hat daran erheblichen Anteil. Kritik wurde in der Folge überstimmt, auf das Gutachten von Prof. Mader nicht einmal eingegangen.
Quo vadis, Denkmalpflege?
Das Kuratorium hofft, mit diesen Bemerkungen den unzulänglichen, z.T. Falsches enthaltenden Statements Herrn Dr. Pinkwarts Stoff zum kritischen Nachdenken beizugeben. Im Pirnaer Heft 3 (2000/01), v.a. S. 149 ff., wurde am Beispiel der Mägdleinschule dargelegt, wie Denkmalpflege funktionieren kann, nach welchen Grundsätzen, Prämissen und Leitlinien. Den speziell Interessierten sei das Standardwerk von Michael Petzet und Gert Th. Mader „Praktische Denkmalpflege“ (Stuttgart-Berlin-Köln 1993) empfohlen.
Ein nachstehend dokumentierter Fall, übrigens aus der Praxis des für Pirna zuständigen Gebietsreferenten Dr. Pinkwart, zeigt ohne weiteren Kommentar, wohin der Subjektivismus in der Denkmalpflege führen kann.
Beispiel subjektivistischer Denkmalpflege aus der Sächsischen Zeitung
Kursiv: sämtlich Zitate von Herrn Dr. Pinkwart aus der SZ vom 18.12.08